Zur Musik und der Aufgabe eines Komponisten in so einem Projekt
Als mich Christoph Hengst im Herbst 2007 fragte, ob ich an dem Projekt Malsturz interessiert sei, war zumindest der Ausgangspunkt klar: die Verbindung von Komposition (von nicht mehr lebenden Komponisten) aus dem „Repertoire“ mit Kompositionen, die für dieses Projekt neu geschrieben werden sollten. Die treibende Idee während der Arbeit war, dass Malsturz ein in sich schlüssiges Stück, von der inneren Dramaturgie eher mit einem Theaterstück vergleichbar als ein „klassisches“ Konzert werden sollte. Wir begannen mir der Auswahl der Stücke, die sich über mehrere Monate erstreckte. Dann ging es um eine mögliche Reihenfolge: die bei der Aufführung zu hörende Reihenfolge haben letztendlich Dagmar Fromme und Karl Rusche konzipiert und entworfen. Als bildende Künstler hören sie anders als Musiker und ihre Reihenfolge war meinem Eindruck nach überzeugender als alle, die ich selbst ausgedacht hatte.
Die neu komponierten Musiken haben verschiedene Funktionen:
Dabei war durchaus nicht von Anfang an sicher, an welchen Stellen wieviel Musik komponiert werden musste und ob überhaupt zusätzliche Musik nötig ist. Auf der Basis eines Kompositionsplans haben wir alle zusammen entschieden, wo neue Musik nötig war und wo nicht; auch due Längen und Strukturen der verschiedenen Musiken sind während des Arbeitsprozesses und im Austausch miteinander entstanden und haben sich Stück für Stück entwickelt.
Daraus ergibt sich auch der eigentlich spannendste Aspekt der interdisziplinären Arbeitsform: Abstand nehmen von eigenen, eventuell festgefahrenen Ansichten und Ideen, Platz machen für andere Meinungen und Vertrauen haben in die Intuition und Arbeit der Mitstreiter; offen sein für Kommunikation und einen Arbeitsprozess, in dem zu keinem Zeitpunkt sicher ist, ob man schon am Ziel angekommen ist oder ob sich doch noch wichtige Punkte ändern und andere Entscheidungen getroffen werden müssen.
Bilder sind im Gegensatz zur Musik normalerweise nicht prozesshaft. In diesem Projekt versuchen wir eine Prozesshaftigkeit der Malerei in Beziehung zu der Prozesshaftigkeit der Musik herzustellen. Dafür haben wir eigens eine große Apparatur gebaut, auf der eine 28m lange, über 5 Rollen geführte Leinwand, langsam bewegt wird. Diese Bewegung geschieht fast unmerklich. Wenn man sich darauf einlässt, kann man „Entschleunigung“ wahrnehmen. Das Bild verändert sich ständig. Durch Drehung, Faltenbildung und Abrutschen der Leinwandstellt es sich in jedem Moment anders dar. Dieser Prozess findet auf zwei Ebenen statt. Auf der ersten durch die unkontrollierbare Faltenbildung und das Abrutschen der Leinwand, auf der Zweiten durch die Tatsache, dass man das Bild zu keinem Zeitpunkt als Ganzes sehen kann, sondern nur im zeitlichen Ablauf.
Die Leinwand ist großartig! Indem sie während des Drehens sowohl langsam nach unten sinkt als auch Falten wirft, teilt sie dem Zuschauer eine innere Lebendigkeit mit, aber auch das Unmögliche, sie zu „beherrschen“: egal wie die Leinwand bearbeitet ist oder was der Maler mit ihr gemacht hat. Aufgrund der enormen Größe und des hohen Gewichtes wird sich die Leinwand während der Aufführung immer verändern, und zwar in einer nicht vorher zu bestimmenden Art und Weise. Besonders die kleinen auf der Leinwand befestigten Objekte faszinieren mich. Während der Aufführung gehen diese unbeweglichen bzw. unveränderbaren Objekte mit der sich verändernden Oberfläche der Leinwand einen Dialog ein, der sehr spannend ist. Dieser Dialog ist für mich das eigentliche Thema, die Spannung zwischen Determination und Aleatorik (Zufall), oder auch von vorbestimmter bildlicher Struktur und nicht vorher zu bestimmender Bewegung.
N’ schöner Tag, Sonnenschein, so wünscht man sich das. Unwissend genießen, richtig schön erfüllt. Der Wunsch nach mehr entsteht so. Schostakowitch Fuge 12
Was soll ich nur machen? Was soll ich nur tun? Vorschlag – ablehnen, aufregen …oder doch?... Langeweile. Messiaen Vingt regards No.2
Die Idee… oh, wär das schön… träumen, vorstellen, was ausmalen. Glück, oder was man dafür hält. Auf jeden Fall fühlt man Glück. Pläne – so wird’s laufen, so machen wir’s. Aufbruch. Chopin Nocturne 1
Erste Schwierigkeiten, erste Risse in der Vorstellung das es so läuft. Bedenken. Die Zweifel kaufen ihm fast den Schneid ab. Debussy Voiles
Ich muss es machen, ich mach’s, ja, jetzt mach ich’s. Jetzt, jetzt, jetzt, ja, ja,…ja, es muss, es muss… Noch glaubt man…ich kann das auch! Schostakowitch Fuge 15
So sollte ich es machen, ja so muss ich es machen. Muss ich es so machen? Nein – Doch. Auf Messers Schneide. Erinnerung an Kindheit – aufflackern von vergessenem Glück – wie eine Störung die durchleuchtet – wie ein Fehler. Das Protokoll bemüht sich die Oberhand zu kriegen, sogar freundlich… da lang… hier lang… jetzt bist du wieder drin, dann hast du’s gefressen. Debussy La serenade interrompue
Jetzt machst du das alles zum ersten Mal, dennoch – trotzdem – die Verzweiflung spüren – und wieder zu sich selbst zu finden. Später Wiederhall. Man sieht sich wie von Ferne. So schade – aus sich zufrieden – Mein Herz… was scheucht dich die Eitelkeit jetzt wieder herum. Nicht gescheucht werden, sondern man selbst sein. Glaube ich den Versprechungen oder glaube ich meiner inneren Stimme. …als ob man sich fern von sich selbst sieht. Und nach und nach erstarrt das alles in Form und mit Routine kann man es nicht am Leben erhalten. Es muss schon richtig gelebt sein. Machen oder nicht machen? Man muss…ja, das ist es… Konventionen – eingebunden, verstrickt. Vergiss es. Er bemüht sich um die Erkenntnis herum zu kommen, dass man nicht rauskommt. Du kannst es nicht verlassen – noch Kraft, mit Verzweiflung. Schostakowitch Präludium und Fuge 24
Eingeständnis vor sich selbst, dass man mit Kraft Verzweiflung nicht lösen kann. Hier ist noch Hoffnung ob man es vielleicht so macht oder so, mit dem Glauben das noch was geht… ausprobiert mit Willen…Lob…für das Falsche. Die Hoffnung aufgeben, nicht wahrhaben wollen, das es nicht geht…Zappeln, sieh ich kann’s. Alles prima! so als ob ich selbst dran glaube, zum Selbstbetrug reicht’s nicht. Chopin Nocturne 13
Bin ich allein hier? Und auch noch dunkel. Jetzt lässt er alle Hoffnung fahren. Keine Chance, ich seh es ein. Schön war’s. Träumt. Das ist noch was Anderes als Chancen haben… wünschen, gegen alles Wissen. Debussy Pas sur la neige
…noch Licht…nicht allein, trotz allem. Anders als ich gedacht… viel wilder… ungebändigt. Keine Regeln und auch keine Sicherheit. Schon fast frech. Humor. Man sieht nochmal das Leben. Durchaus mit schwerem Herzen und mit Tränen. Man nimmt sich was vor. doch das letzte Wort. Trotz allem Wiederstand. Kann doch nicht sein. Wie ungläubig man ist… Messiaen Vingt regards No.5
Das war’s…keine zweite Chance…doch? Dann mach ich alles anders. Dann fall ich nicht mehr auf den selben Trick rein. Ja. Nicht wieder hier verfahren! Bin vorbeigekommen. Da soll’s hingehen, da soll’s hingehen…diesmal nicht…diesmal geh ich dahin. Debussy La serenade interrompue