Morgner - Haus Soest
vom 5. Dezember 2004 - 9. Januar 2005
Ohne jede Warnung
Vergeblich ist der Titel eines Bildes von Karl Rusche.
Es zeigt zwei Hasen auf einer blauen Fläche.
Und die Geschichte dieses Bildes ist vielleicht nicht nur in einer Hinsicht bezeichnend/typisch/aufschlußreich dafür, wie Rusche zu seinen Bildern kommt - und sie zu ihm - und dafür, was sich in ihnen ausdrückt.
Rusche findet zu einem Zeitpunkt, als ergerade beschlossen hat keine toten Tiere mehr zu malen, auf einem Feldweg /ein totes Tier/.
Eine anscheinend gerade von einem Auto überfahrene Häsin.
Neben dem /zerquetschten/, aufgeplatzten Körper liegen, noch naß vom Fruchtwasser, zwei völlig ausgebildete Junge auf der Straße.
Ganz unversehrt und friedlich, nur nicht lebendig.
Obwohl ihn der Anblick dieser so da liegenden Tiere unmittelbar berührt und er das Bedürfnis hat diesen Moment festzuhalten, legt er Häsin und Junge an den Straßenrand ins Gras und fährt weiter.
Das Bild geht ihm aber nicht aus dem Kopf und so nimmt er sich vor, den Abend abzuwarten und dann nachzuschauen, ob die Hasen noch da sind.
Sie sind noch da, also nimmt er sie mit und malt sie. /Also nimmt er sie mit und malt sie.
Diese Geschichte ist auf dem Bild nicht zu sehen..
Keine Häsin, kein Auto, keine Blutspuren, keine Straße.
Stattdessen zwei kleine Hasen auf einer großen blauen Fläche.
(Die /doppelte/paradoxe/ Erfahrung der Vergeblichkeit nur im Titel.)
Bitte nicht ausmalen
Viele von Rusches Bildern sind so einfach, /klar/ und streng durchkomponiert.
Der Kopf eines Engels oder eine Blume, eine Puppe oder ein toter Vogel - meist im Maßstab eins zu eins - in/auf einer wesentlich größeren, oft farbigen Fläche.
Konkrete Gegenstände, isoliert, aus jedem Kontext herausgelöst.
Die sie umgebende Fläche in vielfältigen Nuancen und Kontrasten meist einer, manchmal kräftigen Ausgangsfarbe, roh, in dicken Schichten aufgetragen, abgesprungen, abgeschlagen, abgeflämmt, rissig, brüchig.
Dieser ’Umraum’, ermöglicht Abstand, Distanz und schafft gleichzeitig einen Resonanzraum, /einen Imaginationsraum, und so wirken die Gegenstände im Bildraum nicht verloren sondern füllen ihn wunderbar aus.
“Das hab ich so gefunden…“
Rusche hat einen Blick für das, was als wertlos erachtet liegen bleibt oder übersehen wird.
Für abgelebtes und abgeliebtes, wie er es nennt.
Gegenstände deren Gebrauchs - oder Zuneigungswert abgelaufen ist.
Aussichtslose Fälle.
In Rusches Augen haben diese Dinge eine andere Halbwertzeit.
Sie rückt er/Er rückt sie ins Zentrum, registriert nüchtern ihre Beschädigungen, Verwitterungen, Metamorphosen, ihre Schönheit.
Ein Verfallsdatum wird nicht anerkannt.
Und so nennt Rusche sein Bild eines toten Sperlings auch nicht Toter Sperling sondern Sperling.
Kommentar eines zweijährigen Kindes: „Lebt noch.“
Und das / Stimmt auch.
„Nicht viele Gegenstände haben so etwas grundsätzliches, dass ich es malen will.“
Dieser Satz Rusches wirkt im ersten Moment / auf den ersten Blick vielleicht befremdlich, sind doch viele seiner Gegenstände durchaus banal, manchmal sogar heikel: ein Glas und ein Messer, eine Feder, eine Samenkapsel auf einem Teller,eine Schultüte, Christbaumschmuck. Rusche bewegt sichmanchmal an der Grenze zum Kitsch.
Doch wenn Kitsch als „falscher“ Ausdruck für ein authentisches Gefühl begriffen wird, darf man den Kitschmalern nicht kampflos das Feld überlassen, muß man den Tabubruch riskieren und sich dem Kitschverdacht aussetzen. Die Frage muß sein: ist es, und wenn ja wie, trotzdem darstellbar.
Rusche gelingt die Antwort mit der größtmöglichen Einfachheit und Schlichtheit.
Ein scheinbar puristischer Blick auf die Welt.
Aber gerade dieser Blick bringt die Bilder zum atmen.
Wer mehr wissen will betrachte seine Landschaftsbilder oder /schaue in/ Karls Kühlschrank.
Thomas Janßen